Was ist ein schwerer Trickübergang?

Hallo an alle Einradfahrer und Freestyle-Judges!

Mich lässt die Frage nicht mehr los! Aufgetaucht ist sie für mich vor einer WEile bei einem Jurylehrgang. Der Lehrgangsleiter wollte mir klar machen, dass für die Entscheidung wie schwer ein Übergang jetzt ist, einzig und allein zählt wie schwer die Tricks davor und danach sind oder höchstens noch als Richtwert für die Jury taugt, wie oft dieser Übergang von Einradfahrern gezeigt wird (nach dem Motto, wenn’s leicht wär’ könnten das ja alle machen).

Das aber steht in völligen Widerspruch zum dem, was ich auf der ODM im Trickübergänge-WS von David gelernt und für absolut einleuchtend befunden habe. Der hat uns nämlich erklärt, dass das Hauptproblem bei den Übergängen zunächst ist, das man auf so viele Sachen gleichzeitig achten muss. Zum Beispiel ändert sich oft die Geschwindigkeit der Tricks (etwa bei ww> einb. fahren), zudem die Bewegungsrichtung des Körpers (fahren>pendeln, fahren>Spins, vw dargseat>rw drag seat …) und zu allem Überfluss muss man noch Körperteile neu positionieren (fahren>ww oder (ganz fies!) coasten>hand ww, weil man da gleichzeitig gezwungen ist den Körperschwerpunkt zu verändern). Für den WS bedeutete das, dass wir, wenn wir einen neuen Übergang probieren, zunächst versuchen müssen, einen Teil der Probleme im Voraus zu entschärfen, indem wir zum Beispiel vor dem ww langsamer fahren, um uns dann nur noch um die Füße kümmern zu müssen. Aber für die Einschätzung der Schwierigkeit eines Übergangs heißt das in logischer Konsequenz doch auch, dass neben der Frage, wie stabil die vorhergehende und die nachfolgende Position sind, auch der Faktor “Wie viele der oben genannten Probleme tauchen in welcher Intensität gleichzeitig auf?” unbedingt eine Rolle spielen muss.

Anhand einer solchen Betrachtung ist dann aber auch sehr fraglich, ob es irgendwie zu rechtfertigen ist, das der Übergang vom einb. fahren ins gliden gewertet wird, der von normalen fahren ins gliden allerdings keinerlei Beachtung findet!? Dabei ist der erstgenannte unter Umständen sogar leichter, wenn es nämlich aufgrund der persönlichen Vorlieben bei einem Fahrer passt, dass er beim einb. fahren schon den Fuß auf den Reifen tut, dann für einen ganz kurzen Moment beides hat (indem er auch bereits seinen Hintern ein Stück nach hinten schiebt um das Übergewicht der jetzt nach vorne gehenden Beine auszugleichen), bevor er einfach das zweite Bein noch hochstellt.

Ich würde mich sehr über euch Erfahrungsberichte freuen - egal, ob vom fahren selbst oder vom Judgen.

   Liebe Grüße                      Dori

PS: Mit Niels im Gespräch kam ich gestern Abend dann noch zu der Ergänzung das unkontrollierte Flugphasen den Übergang noch einmal wesentlich erschweren (z.B. Stand-up> drag seat). Aber ich denke, dass ist völlig unstrittig.

Diese Sichtweise halte ich für ausgesprochenen Unfug. Dann wäre ja z.B. der Übergang von Standup WW zu Standup WW ein relativ schwieriger, weil Standup WW schierig ist. Das das nicht so ist, da hier gar kein Übergang stattfindet, dürfte offensichtlich sein.

Wer war denn dieser Lehrgangsleiter und welche Qualifikation hat er? Kann er 5 Meter auf dem Einrad gerade aus fahren oder ist er reiner Theoretiker?

Ja, das sehe ich auch so. Da muß man dann halt pro Übergang bewerten, wie schwierig dieser ist. Und das hat zunächst mal überhaupt nichts mit der Schwierigkeit der beiden Tricks vorher und danach zu tun. Stell dir z.B. vor, jemand man einen Übergang vom normalen Fahren ins Pendeln, indem er einen Salto dreht und anschließend pendelt. Das ist sicherlich sehr schwierig, auch wenn weder Fahren noch Pendeln schwierige Tricks sind.

Nein, ist es nicht.

Danke erstmal für deine Antwort.

Und nun zu deinen Fragen:

Nee, nee… der kann selbst was (drag seat zum Beispiel) und er ist seit Jahren Trainer von deutlich überdurchschnittlichen Einradfahrern, hat schon recht oft selbst an Lehrgängen teilgenommen, gejugded und sogar nicht zum ersten Mal einen Jury-Lehrgang gegeben.
Insgesamt war der Lehrgang auch gut, aber an dieser Stelle wich meine Meinung einfach unvereinbar weit ab von seiner.

Also ich würde den Salto zwischen zwei Tricks eindeutig selbst als Trick zählen!!!

Mein Beispiel war natürlich drastisch überspitzt. Aber das wirft eine weitere interessante Frage auf: ab wann ist ein Übergang ein eigenständiger Trick? Ich denke, das geht fließend ineinander über und ist schwer klar voneinander abzugrenzen.
Beispiel: Bounce Seat ist ein eigenständiger Trick. Drag Seat und dann Sattel wieder aufheben ist “nur” ein Übergang. Warum?

Ach, ein sehr schönes Thema :slight_smile:

Ich habe nur den ersten Post von dori gelesen und überlegt, was ich antworte - aber hmm Wolfgang hat schon meine EXAKTE Antwort vorgegeben, ich hatte auch das Beispiel mit dem Salto im Kopf bevor ich das dann gelesen hatte.

Aber zu dem eigentlichen Problem. Da stellen sich zunächst 2 Fragen:

  1. Was ist ein Übergang?
  2. Wie schwer ist ein Übergang?

Ad 1)
Hier muss man sich mal vorsichtig dranwagen. Denn wenn man von Übergängen spricht sind die meisten Personen durch das Judging-System voreingenommen, die Antworten fallen hier entsprechend den Wertungen die diese Personen abgeben aus. Wer sich mit dem Freestyle Judging System genauer auskennt, der weiß das Dingen hat vorne und hinten Macken - aber auf die möchte ich hier nicht genauer eingehen.

Zu den Übergängen selbst. Ich habe das mal in einer Hierarchieform dargestellt. Siehe hier: http://gos.si/publikationen/Strukturen_in_Unicycling_Skills-Gossmann-20110314.pdf Seite 6. Also die Menge an Skills die es gibt mit Unterteilung in kleinere Mengen. Also hier sieht man die Transitions sind eine Menge von Tricks, eben eine bestimmte, die nämlich genau den Übergang von einem in den nächsten Trick beschreiben. Dabei ist es völlig wertfrei, ob es nur vom normalen Fahren ins Einbein geht, vom Gliding ins Standgliding oder auch vom Standgliding mit einem Salto ins Drag-Seat. Technisch betrachtet leitet jede der genannten Bewegungen von einem in einen anderen Trick über. Darüber, dass ich dabei die Transitions auch in die Menge der Tricks gepackt habe, sehe ich auch die Transitions als Tricks an, denn natürlich ist auch ein Rodeo /w 360 unispin to Standwalk ein Trick und wenn man sich zurück erinnert war es auch sehr fremd, wenn man die Füße von den Pedalen weggenommen und auf den Reifen bzw. auf die Gabel gesetzt hat - und man war froh, wenn die Füße wieder positioniert waren, damit man sein Einrad wieder kontrollieren konnte. Ich gehe nicht davon aus, dass jeder diese Ansicht teilt, aber im Moment gibt es auch nichts besseres :stuck_out_tongue:

Ad 2) Wie schwierig ein Trick ist?
Da ich ja eben schon die Transitions zu Tricks gemacht habe, können wir also generell von der Schwierigkeit von Tricks sprechen. Dazu steht auch im o.g. Dokument etwas bzw. verweist sogar auf Diskussionen hier im Forum. So ohne weiteres ist das nicht zu bestimmen. Es geht aber ungefähr nach dieser Formel:

Schwierigkeit(Trick) = Objektive Schwierigkeit(Trick) + Subjektive Schwierigkeit(Trick)

Die Subjektive Schwierigkeit gibt die persönliche Präferenzen bei Bewegungen vor, ich mag zum Beispiel keine rückwärts gerichteten Bewegungen. Diese Präferenzen bilden sich über einen langen Zeitraum und sind höchst individuell und unbestimmbar. Hier können wir also von einer Blackbox ausgehen.

Interessant ist also die Objektive Schwierigkeit und da spielen viele verschiedene Faktoren einen Einfluss. Im o.g. Dokument finden sich viele Eigenschaften eines Tricks, die spielen sicherlich eine große Rolle. Aber auch was die dori hier anspricht, was der Fahrer bei der Ausführung beachten muss bzw. auch davor schon. Und - so habe ich nun gelernt - kann man die Bewegung hier nach verschiedenen Gesichtspunkten untersuchen. In der Sportwissenschaft haben sich hier 3 Modelle gebildet (zumindest kenne ich nur diese 3):

  • Phasenmodell (nach Meinel & Schnabel)
  • Funktionen & Funktionsphasenmodell (nach Göhner)
  • Aktionen und Effekte (nach Kassat)
    Meiner Meinung nach liefert hier Kassat den besten Ansatz, da er sich am meisten an der Praxis orientiert. Die ersten beiden nur der vollständigkeit halber, aber den Kassat erkläre ich kurz: Wenn man eine Zielbewegung hat (als Beispiel: Unispin) dann habe ich eine bestimmte Bewegungsidee: Hochspringen + Einrad drehen + landen. Daraus leiten sich dann Effekte ab, die ich benötige um die Bewegungsidee zu erfüllen und Aktionen, mit denen ich diese Effekte hervorrufe. Effekt wäre beim unispin z.b. Ich muss die Beine vom Einrad wegbekommen, damit ich Platz habe zum drehen. Aktionen um diesen Effekt zu bewerkstelligen wären etwa, dass ich die Beine krätsche, ich könnte die Füße aber auch zum Po anziehen. Kassat spricht hier von einer (Aktion-Effekt-)Relation. Natürlich ergibt sich auch die Möglichkeit, dass ein Effekt von mehreren Aktionen hervorgerufen wird, aber auch umgekehrt, eine Aktion kann mehrere Effekte hervorrufen. So, um jetzt wieder den Bogen zu bekommen, zu dem was die Dori am Anfang geschrieben hat, die hat hier sowohl Aktionen und Effekte genannt. Z.B. Effekt Geschwindigkeitsänderung (einb>ww). Um also dem gerecht zu werden was du sagst, was ja stimmt, müsste man also zu jedem Trick die Aktion-Effekt-Relationen kennen :slight_smile:

Ich hab das in einer Seminararbeit mal für den Spin gemacht, wie man hier nachlesen kann: http://gos.si/publikationen/Wie_funktionieren_Spins-Gossmann_Poetsch.pdf (da sind auch die oben angesprochenen Modelle nochmal detailierter beschrieben).

Summa Sumarum: Die Schwierigkeit von Tricks kann man heute noch nicht bestimmen. Wir können nur erahnen und mit Erfahrungen werten, wie schwierig etwas ist. Im Falle der Standard Skill Liste kann das aber auch schön schief gehen.

P.S. Ich mach schonmal ein bisschen Werbung:
An der Unicon gebe ich dazu Workshops: Freestyle Judging, The Art and Failures of Unicycling + 3 Workshops bzgl. Ausbildung in denen das Modell zu den Tricks von mir auch nochmal erkläre.

gossi