Ich glaube, wir brauchen dringend eine interne Diskussion zu den Herausforderungen der Gesellschaft, in der wir leben…
Nr. 1 zum Thema Integration: Aufruf zum interrequisitären Dialog
Live aus dem Berliner Jonglierverteiler, 6.10.2006
Liebe Freundinen und Freunde!
Ist es nun wirklich so weit gekommen? Müssen wir uns wirklich eingestehen, dass wir gescheitert, am Ende sind? Das selbst Worte nicht mehr helfen können? Müssen wir zugeben, dass der interrequisitäre Dialog gescheitert ist?
Wir kennen sie alle, die gängigen Vorurteile gegenüber Einradfahrern, Poiswingern, Diabolospielern und Zauberern: Einradfahrer sind rücksichtslos, Poiswinger selbstverliebt, Diabolospieler zu faul, um drei Bälle zu lernen, und Zauberer, nun ja, sie scheinen gänzlich jenseits jeglicher Toleranzgrenze zu stehen.
Aber haben wir uns jemals bemüht, unser gegenüber, mit dem wir uns nun schon seit so langer Zeit den Hallenplatz teilen, wirklich kennenzulernen? Haben wir den scheinbar so kaltherzigen, rücksichtslos-brutalen Einradfahrer je gefragt, wie er sein Requisit ölt, wäscht und poliert, oder die Räder - pardon - das Rad wechselt?
Haben wir den Poiswinger je gefragt, welche Finger er benutzt, um die für uns so komisch anmutenden “Bommeln” in Bewegung zu bringen? Haben wir uns erkundigt, welche Geheimtips er zum Knotenlösen hat?
Haben wir den Diabolospielern je beim Schnurwechseln über die Schulter geschaut oder Sie nach den Namen ihrer Lieblinge gefragt?
Und die Zauberer? Haben wir sie je gefragt, ob sie uns nicht mal einen schönen mathematischen Kartentrick zeigen können, der durchschnittlich jedes fünfte Mal funktioniert?
Wir sind mit den Worten noch nicht am Ende. Noch kann ein offener Kampf der Requisiten (Clash of Equipments) verhindert werden!
Ich schlage dazu eine offene Runde vor, zu der wir alle Freunde des Bewegens einladen (Jule meint, man sollte nicht mehr nur von “Jonglieren” sprechen, weil das Gefühle verletzen könnte), um eine große Runde des interrequisitären Austauschs zu veranstalten. Dabei haben alle die Gelegenheit über ihr jeweiliges Bewegergegenüber mal das zu erfahren, was sie schon immer wissen wollten: Wieviele Einräder kann man auf einmal fahren? Gehen die Ursprünge des Poiswingens wirklich auf eine Gruppe handtaschenschwingender älterer Damen aus Sindelfingen in Süddeutschland zurück? Was ist das Tao des Diaobolospielens und hat das Ähnlichkeit mit Zen, oder haben die asiatischen Ursprünge ihre Bedeutung verloren? Was passiert, wenn der mathematische Kartentrick - wider Erwarten - beim ersten Mal klappt?
All dies und mehr wollen wir gemeinsam erörtern, aufeinader zugehen und somit einen längst fällig gewordenen Dialog der Toleranz gemeinsam begründen. Jahrzehnte leben wir nun schon mit den Fremdrequisiten unter einem Dach, haben Sie gar selbst eingeladen, uns zu verstärken, in Zeiten, da es uns an Personal mangelte, aber mal ehrlich: Hat je einer von uns mal eine richtige Einradhalle betreten? Integration heißt, sich gegenseitig zu verstehen suchen, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. Wir können mit diesem Dialog ein einmaliges Zeichen setzen, dass auch auf Bundesebene abfärben könnte.
Laut statistischen Angaben werden im Jahre 2020 mehr Einradfahrer als Jongleure im Circulumverein Mitglied sein (Angaben berufen sich auf die Angaben eines Jugendtrainers: “Die kleinen wollen doch nur Einradfahren, mit Jonglieren wird das immer weniger da.”). Sollte es da nicht jetzt schon höchste Priorität haben, durch gegenseitige Aufklärung für einen wärmeren und vorurteilsfreieren Umgang unter uns zu sorgen?
Ich hoffe, mein Weckruf bezüglich vergangener Versäumnisse und Herausforderungen der Zukunft, traf nicht auf echolose Umgebung.
Lasst uns offen und ehrlich miteinander reden. Denn nur, wenn wir Dialog suchen, können wir uns den drängenden Aufgaben der Zukunft stellen!
Ich danke Euch allen für Eure Aufmerksamkeit und für die Fluten konstruktiver Kritik, die hoffentlich folgen werden!
Euer Mattis (Freund des Bewegens, Glaubensrichtung: Jonglage)